Michael Kohlhaas in der Kritik
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Das Publikum darf in den Raum, schwatzt und lacht noch, sucht sich Plätze. Doch auf der Bühne sitzt bereits einer. Michael Kohlhaas wartet. Er bewegt das Bein, er nickt mit dem Kopf. Immer wieder klickt das silberne Feuerzeug. Endlich: die Flamme. Sie bringt das Spiel in Gang – und bietet gleichzeitig eine Vorausschau auf das Feuer, das kommen wird.
Gezeigt wurde eine raffiniert dramatisierte Spielfassung einer spannend konzeptionierten und einstudierten Inszenierung. Kautz ist es, der alle handelnden Personen als und/oder mit Figuren spielt. Äußerst genial macht er das, passt er stets seine Haltung und Stimme höchst variantenreich dem jeweiligen Charakter an. Atmosphärische Unterstützung erfahren die einzelnen Szenen insbesondere durch die eindringliche Musikdarbietung von Gero John, durch von Melanie Kuhl höchst kreativ angefertigte und eingerichtete Bühnen- und Kostümbilder und ein ausgeklügeltes stimmungsvolles Lichtdesign.
Einzigartige Theater-Magie.
Puppenspiel für Erwachsene? Jawohl, denn die moralische Substanz und die Spannung der tragischen Handlung bleiben unangetastet. Das Hauptmerkmal der Inszenierung ist die Würde. Was ist das Geheimnis? Der natürliche Umgang mit den markanten Figuren, der den virtuosen Sebastian Kautz nicht verbirgt. Und der wunderbare Cellist Gero John.
Eine karge Bühnenlandschaft, großartig und phantasiereich mit viel Liebe zum bisweilen recht gruseligen Detail gestaltet. Das Publikum bejubelte eine beeindruckende Premiere und einen großartigen Regisseur, der aus Kleists Novelle ein furioses Figurentheater gemacht hat.
Atmosphärisch dicht, eindringlich.
Ein unbescholtener Bürger wird zum wütenden Terroristen. Wie es dazu kommen kann, zeigte Bühne Cipolla in einer ausdrucksstarken und gleichermaßen beklemmenden Aufführung.
Hochaktuell zeigt das Stück, wie das Gift des Hasses langsam einsickert in den Alltag.
Das von Folien bedeckte Bühnenbild wandelt sich permanent. Was anfangs wahllos erscheint, folgt einem ausgeklügelten Plan, jeder Handgriff, jeder Fußtritt, der die Folie beiseiteschiebt, gehört dazu. Genial, wie Kautz den Puppen Leben einhaucht. Wesentlichen Anteil an der unter die Haut gehenden Inszenierung hat John, dessen Musik das Drama ankündigt und begleitet. Ein fantastischer Abend, der mit begeisterten Bravorufen, Stampfen und langanhaltendem Applaus belohnt wird.
Was für ein grandioser Schauspielabend!
Anfangs ein ungewohntes Seherlebnis, wurden die Zuschauer schon bald von der Inszenierung in den Bann gezogen. Akrobatische Meisterleistung von Kautz, dramatisch unterstrichen durch die Musik von John.
Kautz bringt das Kunststück fertig, jede seiner Figuren lebendig werden zu lassen und dabei dennoch sichtbar zu bleiben.
Kautz vollbringt stimmliche und darstellerische Höchstleistungen, in phantastischer Weise von Johns Tönen unterstützt.
Wie bei einer Zwiebel, Cipolla ist das italienische Wort für Zwiebel, entblättert das kreative Duo Schicht für Schicht der bestürzend aktuellen Handlung. Originelle Puppen, ausdrucksstarke Masken, intensive Klänge und mitreißende Spielfreude.
Kautz brüllt, fleht, weint und dröhnt, dass es einem die Seele zerreißt. Neben Kautz‘ überwältigender schauspielerischer Leistung war es die Musik von Gero John, die zu einem grandiosen Abend beitrugen. Bühne Cipolla zeigte die Eskalation von Gewalt in klarer Zeitlosigkeit und von erschütternder Aktualität.
Der Hammer. Fesselndes Figurentheater ist schwer zu toppen. Es ist selten, schon während eines Stückes den Wunsch zu verspüren, es noch einmal zu sehen. Ein Paukenschlag - besser gehts nicht.
Die Grenzen zwischen Puppen und Sprecher sind kaum mehr auszumachen.
Verdichtet wird das Geschehen von Gero John auf dem Cello oder dem E-Piano. Die Musik konturiert die Beklemmung, forciert den Groll und befeuert die Raserei.
Brisant aktuell, diese Wandlung des unbescholtenen Bürgers zum blindwütigen Terroristen. Gleichzeitig schafft es die Theatertruppe, das Publikum mit einzubinden in diese Frage nach Gerechtigkeit.
Aus dem Yuppie wurde nach und nach ein muskelstrotzender, Bedrohlichkeit ausstrahlender Glatzkopf. Die Wandlung des Kohlhaas vom braven Pferdehändler zum gewalttätigen Terrosristen vollzog sich so auch optisch.
Kompaktes, mitreißendes Figurentheater.
Die unheimliche Gratwanderung zwischen Ding und Mensch, die Kautz' Kunst zum Ereignis macht und zugleich ein wichtiges Thema der literarischen Fantastik aufruft. John ist ein passgenauer Partner. Aber hören, sehen und staunen Sie selbst!
Grandios, wie Sebastian Kautz unbelebte Materie so verwandelt, dass sie den Zuschauern ihre verborgene Lebensgeschichte vorführt.
Viele aktuelle Bezüge zur heutigen Gesellschaft.
So intensiv, dass eine spürbare Gänsehaut die corona-bedingten Lücken im Zuschauerraum vollständig ausfüllte.
Kautz gelang es, glaubwürdige Dialoge zu sprechen, obwohl er hinter den Figuren immer zu sehen war.
Diesem Abend fehlte nichts. Nicht die bezwingende Dichte, nicht die beseelte Hitzigkeit. Es war wunderbar übereifrig in seinen Einfällen, rasend unbedenklich zwischen Tragik und Komik; frei jedoch von überzogenem Deutungsehrgeiz.
Beeindruckende Inszenierung, die das Publikum zu Standing Ovations animiert.
Viele Zuschauer nahmen nach dem langen Applaus die Einladung von Kautz an, die Puppen am Bühnenrand genauer anzuschauen. Fragen nach der raffinierten Leichtbauweise und der Ausstattung beantwortete der Schauspieler ausgiebig.
Wieder ein starker Abend des Duos, der nicht zuletzt auch mit den Figuren von Melanie Kuhl zu den Höhepunkten der Figurentheatertage gezählt werden kann.
Kohlhaas in konzentrierten, Staunen machenden 80 Minuten. Rasender Beifall, mit stehenden Ovationen. Hochkultur kann bunt und belebend sein – oder gemacht werden!
Bravorufe, Applaus und Fusstrampeln für dieses noch lange nachklingende Spiel und die magische Musik.
Die Erkenntnis, wie wenig Brimborium es braucht, um großes Theater zu machen und das Publikum mit einer großen Frage zurückzulassen: Was ist weltfrei?
Cipolla begeisterte nicht das erste Mal und wird hoffentlich auch in künftigen Spielplänen zu finden sein.